Music in the Circle: Franz Trio – Music from Vienna and Theresienstadt, Sunday April 29th at 19:00

Konzertprogramm von Franz Trio
“Filialen von Himmel und Hölle auf Erden
– Musik aus Wien und Theresienstadt”

Sunday, April 29th, 2018 at 19:00
at our new location: Hauptstr. 101, 10827 Berlin

Entrance Fee: Donation Suggested

Das Wien der Ära Metternich mag man schwerlich als himmlisch bezeichnen, auch das recht ärmliche Leben des 20-jährigen Hilfsschullehrers Franz Schubert kaum, der im Jahr 1817 dem Schuldienst dank eines einjährigen Stipendiums entkommt (er wird ihn nie wieder aufnehmen); doch welch Aussichten auf freies, ungestörtes Komponierenkönnen tun sich dem Freizeit-Bratschisten in diesem Jahr endlich auf! Ein Schaffensrausch ist die Folge: Allein zwischen Mai und August entstehen sieben Klaviersonaten, und ebenso das Streichtrio D 581 bringt Schubert in diesem Jahr zu Papier. Wie erhebend auch ist der Gestalt annehmende Plan, das Elternhaus zu verlassen, wie erfreulich der Blick voraus aufs weinselige WG-Leben bei seinem Freund Schober… Wie vergnüglich sind die häuslichen Kammermusiken, bei denen Schuberts neue Schöpfungen dem “Praxistest” unterzogen werden. Das Streichtrio wird so noch einmal etwas umgearbeitet, eine inkommode Passage wird geglättet, eine andere zugespitzt, hier fällt ein Auftakt weg, dort wird eine Geste unterstrichen – das Wesentliche bleibt: Die spielerische Freude der Ecksätze, die trotz einiger düsterer Ahnungen vertrauensselige Himmelsruhe des Andante, das charmante Augenzwinkern des Menuetts… Wie friedlich ist dies Leben.

Im Alter von 20 Jahren kommt Gideon Klein, ein aus dem mährischen Prerov stammendes musikalisches Wunderkind, für einen Monat in den Genuss des Studentenlebens. Dann schließen die deutschen Besatzer im Jahr 1939 alle tschechischen Universitäten, auch die Karls-Universität, an der Klein Musikwissenschaften und Komposition zu studieren begonnen hat. Eine Fortsetzung des Studiums an der Royal Academy of Music in London wird ihm verwehrt. Gideon Klein ist Jude. Im Jahr 1941 wird er ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert. Dort trifft er auf nicht wenige Musiker und eine Reihe Komponisten, darunter neben Viktor Ullmann und Pavel Haas auch auf Hans Krása, und erschafft mit ihnen fieberhaft und unter dem Eindruck steter Todesdrohung ein kulturelles Leben. Um die Weltöffentlichkeit über den wahren Charakter der Judendeportationen und der deutschen Konzentrationslager hinwegzutäuschen, gestatten die Nazis im sog. Vorzeige-“Ghetto Theresienstadt” Theater, Lesungen, private und öffentliche Konzerten und 55 Aufführungen der Kinderoper “Brundibár” von Hans Krása. Diese hatte der Prager Pianist, Opernkorrepetitor und ehemalige Kompositionsschüler Zemlinskys komponiert, nachdem er aus dem Deutschen Reich der 30-er Jahre, der “Filiale der Hölle auf Erden”, wie Joseph Roth es nannte, in seine Heimatstadt zurückgekehrt war. Einzeichnungen in den Stimmen des “Tanzes für Streichtrio” von 1943 und der “Passacaglia und Fuge” von 1944 belegen, dass diese Werke sicherlich geprobt und vermutlich auch aufgeführt wurden.

Im Juni 1944 besucht eine Delegation des Internationalen Roten Kreuzes Theresienstadt. In den darauffolgenden Monaten August und September wird der Propagandafilm “Der Führer schenkt den Juden eine Stadt” gedreht, in welchem auch ein Ausschnitt der Oper von Krása zu sehen ist. Nach Abschluss der Dreharbeiten werden die meisten “Mitwirkenden” nach Auschwitz deportiert. Auch Gideon Klein befindet sich im Oktober 1944 in einem dieser Transporte, ganze neun Tage nach Beendigung der Arbeit an seinem Streichtrio, welches er selbst nie gehört hat. Jugendliches Aufblühen und Todesangst gehen hier eine Symbiose ein, die dem Werk eine singuläre Stellung in der gesamten Kammermusikliteratur des 20. Jahrhunderts gibt. Kleins den Krieg überlebende Schwester spürt die Noten nach dem Krieg in einem auf einem Dachboden deponierten Koffer auf und widmet ihr Leben der Veröffentlichung und Bekanntmachung der Werke ihres Bruders.

Aus welch anderem Universum trifft Mozarts Brief vom April 1782 ein? “Ich gehe alle Sonntage um 12 Uhr zu Baron van Suiten und da wird nichts gespiellt als Händl und Bach. – ich mach mir eben eine Collection von den Bachischen fugen. – so wohl sebastian als Emanuel und friedeman Bach.” Ein Satz, der in seiner himmlischen Unbeschwertheit, Kleins und Krásas Lebensumstände vor Augen, sprachlos macht. Doch, es ist dieselbe Welt, es sind dieselben Menschen, es ist dasselbe Tun: Menschen treffen sich, schreiben, spielen, hören Kammermusik.

Wir wünschen Ihnen ein bewegtes Konzert mit dem Franz Trio!

Ernst-Martin Schmidt

 

W.A. Mozart (1756-1791): Largo und Fuge nach J.S.Bach Kv 404a Nr 5, c-moll (Wien 1782)

Hans Krása (1899-1944): Passacaglia und Fuge für Streichtrio (Theresienstadt 1944)

W.A. Mozart: Adagio und Fuge nach J.S.Bach Kv 404a Nr 1, d-moll (Wien 1782)

Hans Krása: „Tanec“/Tanz für Streichtrio (Theresienstadt 1943)

***

Franz Schubert (1797-1828): Streichtrio D 581, B-dur (2. Fassung, Wien 1817)

  1. Allegro moderato
  2. Andante
  3. Menuetto, Allegretto – Trio
  4. Rondo, Allegretto

Gideon Klein (1919-1945): Trio für Violine, Viola und Violoncello (Theresienstadt 1944)

  1. Allegro
  2. Variationen über ein mährisches Volkslied – Lento
  3. Molto vivace

 

Avigail Bushakevitz, Violine

Die Geigerin Avigail Bushakevitz wurde in Israel geboren und wuchs in Südafrika auf, wo sie ihr Studium bei Prof. Jack de Wet in Kapstadt aufnahm. Von 2007 bis 2012 setzte sie ihr Studium an der Juillard School in New York bei Sylvia Rosenberg fort und vervollständigte es mit zwei abschließenden Studienjahren in Tel Aviv und Berlin. Sie gewann internationale wie auch südafrikanische Wettbewerbe, darunter den ersten Preis der UNISA Strings Competition und des UNO-Wettbewerbes in Jerusalem. 2016 wurde Avigail in Südafrika zum “Young Artist of the Year” gewählt. Dem Konzertpublikum des Landes ist sie seit vielen Jahren dank mehrfacher Solokonzerte mit allen großen Orchestern Südafrikas und vielfacher Kammermusiktourneen, zuletzt 2017, wohlbekannt. Der Gewinn des ersten Preises eines spanischen Kammermusikwettbewerbs im Jahre 2014 führte Avigail mit ihrem Bruder, dem Pianisten Ammiel Bushakevitz, auf eine ausgedehnte Duo-Rezital-Tournee und zur Herausgabe ihrer ersten CD mit Mozart-Sonaten. Sie lebt seither mit ihrem Ehemann Ernst-Martin Schmidt in Berlin und ist Mitglied der Ersten Geigen des Konzerthausorchesters Berlin. Gemeinsam mit der Cellistin Constance Ricard gründeten sie das “Franz Trio”.

 

Ernst-Martin Schmidt, Bratsche

Ernst-Martin Schmidt wurde 1978 in Berlin geboren und begann im Alter von sechs Jahren mit dem Geigenspiel. Von 1990 bis 1998 besuchte er die Spezialschule für Musik/Bach-Musikgymnasium Berlin, gewann Preise beim Bundeswettbewerb „Jugend musiziert“ und wechselte im Alter von 16 Jahren zu seinem Wunschinstrument, der Bratsche. Nach Abitur und Zivildienst studierte Ernst-Martin Schmidt von 1999 bis 2004 an der Hochschule für Musik „Hanns Eisler“ in Berlin bei Prof. G. Riedel und Prof. W. Küssner. Im Anschluss daran war er 2004/05 Stipendiat der Herbert-von-Karajan-Orchesterakademie der Berliner Philharmoniker und wurde Ende 2005 Mitglied des Konzerthausorchesters Berlin, dem er seither angehört. Als Gast musizierte er mehrfach in allen großen Berliner Orchestern und konzertierte u.a. mit den Berliner Barock-Solisten, dem Kammerensemble Neue Musik Berlin, der Kammersymphonie Berlin, dem Zafraan-Ensemble und dem Konzerthaus Kammerorchester, das er 2010 mitbegründete; Kammermusiktourneen führten in mehrfach ins europäische Ausland, nach Japan, Brasilien und zuletzt 2017 nach Südafrika. Eine besondere Liebe hegt Ernst-Martin Schmidt für die Formation des Streichtrios, die zur Gründung des “Franz Trios” führte. Zu guter Letzt widmet sich Ernst-Martin Schmidt als Mitglied der Choralschola der St.-Hedwigskathedrale Berlin dem gregorianischen Gesang.

 

Constance Ricard, Violoncello

Constance Ricard wurde in Paris geboren und lebt seit 2012 in Berlin, wo sie ihre Zeit zwischen dem Orchesterspiel und verschiedenen Kammermusikgruppen aufteilt, in denen sie sowohl auf dem modernen wie auch auf dem Barockcello spielt. Sie hat am Conservatoire Supérieur de Paris – C.N.R in der Celloklasse von Marc Coppey und später an der Hochschule für Musik und Theater in Leipzig bei Professor Peter Bruns studiert. Außerdem studierte sie Barockcello bei Balázs Máté und Jan Freiheit. Seit 2011 war sie zuerst am Staatstheater Hannover beschäftigt und sodann im Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin und dem Konzerthausorchester Berlin. Zudem spielte sie in den letzten Jahren als Gast mit dem französischem Kammerorchester „Les Dissonances“, im Orchester der Komischen Oper Berlin, im Konzerthaus Kammerorchester und mit dem Zafraan Ensemble. 2015 spielte sie in der Galerie Parterre die Uraufführung des Solostücks für sprechende Cellistin „Ihr sollt die Wahrheit erben“ des Berliner Komponisten Hermann Keller, nach dem Buch von Anita Lasker-Wallfisch. Dieses Stück wird sie 2019 für den Deutschlandfunk beim Kölner Festival Forum neuer Musik wieder aufführen. Seit 2017 ist sie zudem regelmäßig als Gast mit der Akademie für Alte Musik Berlin zu hören und widmet sich mit dem „Franz Trio“ dem Streichtriorepertoire.